Die Mauereidechsen von Witten – der Besuch einer allochthonen Kolonie

Die Mauereidechsen von Witten – der Besuch einer allochthonen Kolonie

MICHAEL KRONIGER & MARTIN DIECKMANN
Juni 2009 2010

Zusammenfassung:
Am 05. Juni 2009 besuchten wir die allochthone Mauereidechsenpopulation in Witten-Bommern (Nordrhein-Westfalen). Dabei konnten wir während der Mittagszeit bei Temperaturen über 30°C insgesamt 14 adulte Podarcis muralis an einer circa 200 m langen Legesteinmauer sichten.

Einleitung:
Seit einigen Jahren erregen allochthone (nicht ursprüngliche) Populationen der Mauereidechse (Podarcis muralis) Aufmerksamkeit. Ging man Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch davon aus, die Mauereidechse sei durch ihre klimatischen Ansprüche auf die warmen Gegenden Deutschlands, wie das Rheintal und nahe Flusstäler, sowie den Süden Deutschlands beschränkt (ENGELMANN et al. 1986), so wurden in den letzten Jahren immer mehr, teils seit langer Zeit erfolgreich reproduzierende und expandierende Populationen nicht natürlichen Ursprungs bekannt (TROIDL & TROIDL 2004, SCHULTE et al. 2008). Inzwischen beschäftigen sich einige Personen mit dieser Problematik und untersuchen die ursprüngliche Herkunft dieser Populationen auf genetischer Basis sowie ihre Ausbreitungswege bzw. herpetoökologischen Beziehungen.

Beobachtungen:
Während einer Begehung des Lebensraumes der seit 2001 (MÜNCH 2001) bekannten Population in Witten-Bommern konnten wir am 05. Juli 2009 unter suboptimalen Bedingungen (12.00–14.00 Uhr, Lufttemperatur >30 °C) mehrere, durch SCHULTE (l. c.) als Podarcis muralis maculiventris bestimmte Mauereidechsen, an einer etwa 200 Meter langen, aus dunkelgrauem Gestein bestehenden Legesteinmauer sichten. Die Eidechsen besiedelten die Mauer fast durchgängig, konnten aber fast ausschließlich im Bereich des Mauerfußes bzw. in der Nähe oder innerhalb ihrer Schlupflöcher beobachtet werden. Wahrscheinlich hingen diese Aufenthaltsorte mit den herrschenden hohen Luft- und der noch wesentlich höheren Oberflächentemperaturen des dunkelgrauen Gesteins zusammen. Am südwestlichen Ende der Mauer entdeckten wir unter einem Holzstück eine frisch adulte Zauneidechse (Lacerta agilis). Beim erneuten Nachsuchen unter diesem halbierten Baumstamm – etwa 10 Minuten später – lag dort ein ausgewachsenes Mauereidechsenmännchen. Insgesamt konnten wir 14 Mauereidechsen im Bereich der Legesteinmauer sichteten.
MÜNCH (l. c.) bemerkt, dass die Zauneidechse im von uns besuchten Habitat offensichtlich verdrängt oder ausgestorben sei. Das kann von uns so nicht bestätigt werden. Eine Verdrängung der Zauneidechse erscheint uns zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Die Mauereidechsen hielten sich fast ausschließlich an der Legesteinmauer, aber nur vereinzelt in den für die Zauneidechse viel typischeren Biotopen des Wiesenrandes auf. Dass nur eine Zauneidechse gefunden wurde, lag sehr wahrscheinlich an den recht hohen Temperaturen, da für die Art im Hochsommer eine deutlich bimodale Aktivität belegt ist (BLANKE 2004).

Abb. 1 Legesteinmauer als Biotop von Podarcis muralis.

Abb. 2 Weibchen von Podarcis muralis an der Legesteinmauer.

Abb. 3 Typischer Aufenthalt von Podarcis muralis während unserer Begehung.

Abb. 4 Lebensraum von Lacerta agilis und Podarcis muralis am südwestlichen Rand des Fundortes.

Abb. 5 Männchen von Lacerta agilis.

Abb. 6 Weibchen von Podarcis muralis an der Schlossmauer.

Abb. 7 An manchen Stellen fanden wir gleich mehrere Individuen in einem Unterschlupf.

Nach Ende der Exkursion konnten wir direkt an der am benachbarten Hotelbiergarten angrenzenden Schlossmauer, die eine Verlängerung der besuchten Legesteinmauer darstellt, ebenfalls Mauereidechsen finden. Die Tiere bewohnten hier eine unbewachsene Legesteinmauer sowie, wohl aufgrund der immer noch hohen Temperaturen, eine Betonwand kurz oberhalb eines dicht bewachsenen Grassaums.
Das eigentliche Hauptaugenmerk unserer Exkursion lag auf dem Nachweis einer weiteren Eidechsenart, die dort von ROBERT SCHUMACHER (in lit.) festgestellt wurde: Podarcis melisellensis! An der übermittelten Fundstelle, die während unserer Exkursion stark von Brombeeren (Rubus sp.) verdeckt war, konnten wir keine Eidechsen finden, weder Podarcis melisellensis noch P. muralis oder Lacerta agilis. Allerdings lag dies eindeutig an der starken Sukzession, wodurch der ehemalige Fundort nahezu nicht einzusehen war. Wir werden diese Population weiter beobachten.



Literatur:

BLANKE, I. (2004): Die Zauneidechse – zwischen Licht und Schatten. – Laurenti Verlag, Bielefeld, 160 S.

ENGELMANN, W.-E., J. FRITSCHE, R. GÜNTHER & F.J. OBST (1986): Lurche und Kriechtiere Europas. – Deutscher Taschenbuchverlag, Stuttgart, 420 S.

MÜNCH, D. (2001): Gefährden allochthone Mauereidechsen autochthone Zaun- und Waldeidechsen-Populationen? – Dortmunder Beiträge zur Landeskunde, Naturwissenschaftliche Mitteilungen 35: 187–190.

SCHULTE, U., B. THIESMEIER, W. MAYER & S. SCHWEIGER (2008): Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland. – Zeitschrift für Feldherpetologie 15: 139–156.

TROIDL, A. & S. TROIDL (2004): Verschleppungen und Aussetzungen. – www.lacerta.de. Eingesehen am 25. Juli 2009


Verfasser:
Martin Dieckmann, Dambergskamp 12, D-59071 Hamm;
Michael Kroniger, Molkereiweg 23, D-32425 Minden, michael.kroniger@gmx.de.